Additive Synthese: Eine Einführung in Theorie, Praxis und Geschichte

Additive Synthese kombiniert einfache Sinuswellen zu komplexen Klängen. Entdecke, wie durch Frequenzen, Amplituden und Phasen einzigartige Sounds in Musikproduktion entstehen!

Additive Synthese ist eine der grundlegenden Methoden der Klangsynthese, die in der Musikproduktion und Sounddesign verwendet wird. Sie ermöglicht es, Klänge durch das Hinzufügen von harmonischen Teiltönen zu erstellen und ist sowohl in der Software- als auch in der Hardware-Welt der elektronischen Musikproduktion weit verbreitet. Dieser Blogpost bietet eine umfassende Einführung in die additive Synthese, die Geschichte dahinter, typische Einstellungen, und zeigt verschiedene Software- und Hardware-Optionen auf, die diese Technik nutzen.

Was ist Additive Synthese?

Die additive Synthese basiert auf der Theorie, dass jeder Klang als eine Kombination aus Sinuswellen dargestellt werden kann, die mit unterschiedlichen Frequenzen, Amplituden und Phasen überlagert sind. Jede dieser Sinuswellen wird als „Partial“ oder Teiltöne bezeichnet, und die grundlegende Idee der additiven Synthese ist es, Klänge durch das Summieren (addieren) dieser Teiltöne zu erzeugen. Im Gegensatz zu subtraktiver Synthese, bei der ein harmonisch reicher Klang durch Filterung geformt wird, beginnt die additive Synthese oft mit nichts und baut komplexe Klänge durch die schrittweise Hinzufügung von Teiltönen auf.

Die Geschichte der Additiven Synthese

Die additive Synthese hat eine lange und faszinierende Geschichte, die bis in die frühen Tage der elektronischen Musik zurückreicht. Einer der ersten und bedeutendsten Meilensteine in der Geschichte der additiven Synthese war die Erfindung des Telharmoniums im späten 19. Jahrhundert durch Thaddeus Cahill. Dieses Instrument verwendete riesige rotierende Wellenformen und elektrische Verstärker, um Töne durch additive Synthese zu erzeugen. Obwohl das Telharmonium keine nachhaltige kommerzielle Zukunft hatte, legte es den Grundstein für die Entwicklung moderner Synthesizer.

Ein weiterer wichtiger Schritt in der Geschichte der additiven Synthese war die Entwicklung des Hammond-Orgel in den 1930er Jahren. Diese Orgel nutzte eine elektromechanische Methode, um Töne zu erzeugen, die durch additive Synthese erstellt wurden. Die Hammond-Orgel wurde schnell zu einem beliebten Instrument in Jazz, Gospel und Rockmusik, und ihre einzigartigen Klangmöglichkeiten sind noch heute begehrt.

In den 1970er und 1980er Jahren erlebte die additive Synthese eine Renaissance, als digitale Technologien wie der Yamaha DX7, einer der ersten populären digitalen Synthesizer, auf den Markt kamen. Der DX7 nutzte zwar primär Frequenzmodulation (FM), aber die zugrundeliegenden Prinzipien der additiven Synthese waren ein Teil seiner Klanggestaltung. Später, in den 1980er Jahren, wurde die additive Synthese in Softwareumgebungen wie Csound und Music V integriert, wodurch neue Möglichkeiten der Klanggestaltung entstanden.

Moderne Hardware und Software für Additive Synthese

Heute ist die additive Synthese sowohl in der Hardware- als auch in der Software-Welt weit verbreitet. Es gibt viele moderne Synthesizer und Software-Plug-ins, die diese Technik nutzen, um komplexe und einzigartige Klänge zu erzeugen.

Moderne und erhältliche Hardware für Additive Synthese

  1. ASM Hydrasynth (2020):
    • Beschreibung: Der ASM Hydrasynth ist ein hybrider digitaler Synthesizer, der additive Synthese mit Wavetable-Synthese kombiniert. Er bietet eine polyphone Aftertouch-Tastatur, einen benutzerfreundlichen Makrocontroller und einen flexiblen Modulationsmatrix. Der Hydrasynth ermöglicht es dem Benutzer, bis zu 8 harmonische Obertöne zu erstellen und zu modulieren, was für reichhaltige und komplexe Klangtexturen sorgt.
    • Besondere Merkmale: Wavetable-Oszillatoren, umfangreiche Modulationsmöglichkeiten, integrierte Effekte und MPE (MIDI Polyphonic Expression) Unterstützung.
  2. Modal Electronics Argon8 (2019):
    • Beschreibung: Der Modal Argon8 ist ein Wavetable-Synthesizer, der auch additive Synthese bietet. Mit 32 Oszillatoren (8 pro Stimme) und einer Vielzahl von Möglichkeiten zur Klangmodulation kann der Argon8 harmonisch reichhaltige und dynamische Klänge erzeugen. Er ist bekannt für seine hochauflösenden Oszillator-Wavetables und spektralen Manipulationsmöglichkeiten.
    • Besondere Merkmale: 32 hochauflösende Oszillatoren, verschiedene Filtermodi, sequenzierbare Arpeggiatoren und anpassbare Effekte.
  3. Korg Modwave (2021):
    • Beschreibung: Der Korg Modwave ist ein leistungsstarker Wavetable-Synthesizer, der additive Synthese in Form von Wavefolding und Spektralmodulation integriert. Diese Kombination ermöglicht es, komplexe Texturen und lebendige Klänge zu erzeugen, die durch umfassende Modulationsoptionen weiter angepasst werden können.
    • Besondere Merkmale: Umfangreiche Wavetable-Bibliothek, Motion Sequencing 2.0, Kaoss Physics und mehrstufige Effekte.
  4. Roland Jupiter-X (2019):
    • Beschreibung: Der Roland Jupiter-X ist ein polyphoner Synthesizer, der additive Synthese zusammen mit anderen Syntheseformen (wie virtueller analoger, FM und PCM) integriert. Er bietet die Möglichkeit, klassische Roland-Sounds nachzubilden und neue, komplexe Klänge durch additive Methoden zu kreieren.
    • Besondere Merkmale: Mehrere Oszillator- und Filtertypen, Model Expansion Technologie und umfangreiche Effekte.

Moderne und erhältliche Software für Additive Synthese

  1. UVI Falcon 2 (2019):
    • Beschreibung: UVI Falcon 2 ist eine hochmoderne hybride Software-Workstation, die mehrere Synthesearten, einschließlich additiver Synthese, unterstützt. Mit einer riesigen Sammlung von Oszillatoren, Effekten und Modulationstools können Benutzer eine unbegrenzte Anzahl von Klängen erstellen. Die additive Engine ermöglicht detaillierte Bearbeitungen von bis zu 256 Partials.
    • Besondere Merkmale: Umfassende Oszillator-Typen, fortgeschrittene Modulationsmöglichkeiten, Skriptbarkeit und eine große Bibliothek von Presets und Erweiterungen.
  2. Arturia Pigments 4 (2023):
    • Beschreibung: Arturia Pigments 4 ist ein vielseitiger Softwaresynthesizer, der additive Synthese neben subtraktiver, Wavetable-, FM- und Granularsynthese bietet. Mit einer benutzerfreundlichen Oberfläche und einem leistungsstarken Modulationssystem ermöglicht Pigments 4 das Erstellen von einzigartigen, animierten Sounds durch additive Methoden.
    • Besondere Merkmale: Additive Harmonie-Sektion, zahlreiche Modulationsquellen, Poly-aftertouch-Support und über 1200 Presets.
  3. Sugar Bytes Aparillo (2018):
    • Beschreibung: Aparillo ist ein experimenteller FM- und additiver Synthesizer, der sich besonders auf die Erstellung von Soundscapes und cineastischen Klängen spezialisiert hat. Die additive Komponente ermöglicht die Kontrolle über harmonische Inhalte und das Spektralmanagement von Sounds.
    • Besondere Merkmale: Einzigartiger Orbit-Modulator, FM-Synthese kombiniert mit additiver Steuerung und tiefgehende Klangformungsmöglichkeiten.
  4. Reason Studios Parsec 2 (2020):
    • Beschreibung: Parsec 2 von Reason Studios ist ein fortschrittlicher, spektraler Synthesizer, der additive Synthese verwendet. Er bietet eine detaillierte Kontrolle über Spektralformung und eine intuitive Benutzeroberfläche, die die Manipulation von bis zu 512 harmonischen Teiltönen erlaubt.
    • Besondere Merkmale: Zwei additive Engines, spektrale Filter und dynamische Modulation.
  5. Kilohearts Phase Plant (2019):
    • Beschreibung: Phase Plant ist ein modularer Synthesizer, der eine additive Engine integriert. Benutzer können Module nach Bedarf hinzufügen und somit komplexe Additive-Setups erstellen, die mit Wavetable, subtraktiver und FM-Synthese kombiniert werden können.
    • Besondere Merkmale: Modularer Aufbau, umfangreiche Effektkette, flexible Modulationsmatrix und viele Add-ons für weitere Klanggestaltung.

Wie verwendet man Additive Synthese?

Additive Synthese erfordert ein grundlegendes Verständnis von Klang und wie dieser manipuliert werden kann. Im Gegensatz zu anderen Formen der Synthese, die oft auf sofortige, breite Änderungen abzielen (wie das Abschneiden von Frequenzen in der subtraktiven Synthese), erfordert die additive Synthese eine detailliertere Herangehensweise. Hier sind einige grundlegende Schritte und Einstellungen, um additive Synthese in der Praxis zu verwenden:

1. Grundlegende Teiltöne einstellen

Bei der additiven Synthese beginnen Sie in der Regel mit einem Grundton, auch als erster Teilton oder Grundfrequenz bekannt. Abhängig von der gewünschten Klangfarbe können zusätzliche Teiltöne (Obertöne) hinzugefügt werden. Jeder dieser Obertöne hat eine eigene Frequenz, Amplitude und Phase.

  • Frequenz: Bestimmt die Tonhöhe des Teils.
  • Amplitude: Bestimmt die Lautstärke des Teils.
  • Phase: Beeinflusst den zeitlichen Verlauf des Teils.

2. Hüllkurven anwenden

Eine Hüllkurve definiert, wie sich der Klang im Laufe der Zeit entwickelt. Die gängigsten Hüllkurven-Typen sind ADSR (Attack, Decay, Sustain, Release). Jeder Teilton kann eine eigene Hüllkurve haben, was bedeutet, dass der Klang im Laufe der Zeit auf sehr komplexe Weise verändert werden kann.

3. Spektralmodulation verwenden

Einige additive Synthesizer, wie Razor und Harmor, bieten die Möglichkeit, das gesamte Frequenzspektrum zu modifizieren. Diese Modulationen können harmonische Inhalte drastisch verändern und eignen sich hervorragend, um interessante Texturen und Bewegungen im Klang zu erzeugen.

4. Filter und Effekte einfügen

Obwohl Filter nicht das Hauptwerkzeug in der additiven Synthese sind, können sie immer noch eine Rolle spielen. Filter können verwendet werden, um unerwünschte Frequenzen zu entfernen oder bestimmte Frequenzen zu verstärken. Darüber hinaus können Effekte wie Reverb, Delay und Distortion verwendet werden, um den additiven Klängen Tiefe und Charakter zu verleihen.

Typische Einstellungen und Techniken

Hier sind einige typische Einstellungen und Techniken, die Sie in der additiven Synthese verwenden können:

  1. Harmonische Akkorde: Durch die Erzeugung von Klängen, die mehrere Grundtöne und harmonische Obertöne enthalten, können Sie reichhaltige, akkordartige Klänge erzeugen. Dies ist nützlich für die Erstellung von Pads und atmosphärischen Sounds.
  2. Detuning und Spread: Das leichte Verstimmen von Teiltönen und das Verteilen dieser Teiltöne im Stereo-Feld kann einen breiten, chorusingartigen Effekt erzeugen, der für Leads und Pads ideal ist.
  3. Spektrale Animation: Durch die Modulation von Teiltönen in Echtzeit können Sie Klänge erzeugen, die sich im Laufe der Zeit subtil oder drastisch verändern. Dies kann von LFOs oder Hüllkurven gesteuert werden und ist besonders nützlich für dynamische Soundscapes und Basslines.

Fazit

Additive Synthese ist eine leistungsstarke Technik der Klangsynthese, die es ermöglicht, Klänge auf sehr detaillierte und kontrollierte Weise zu erzeugen. Ihre Geschichte reicht über ein Jahrhundert zurück, und ihre Anwendung in modernen Musikproduktionen zeigt, dass sie weiterhin ein wertvolles Werkzeug für Musiker und Sounddesigner ist. Mit einer Vielzahl von Hardware- und Software-Optionen und der Flexibilität, praktisch jeden denkbaren Klang zu erzeugen, bleibt die additive Synthese ein faszinierendes und vielseitiges Feld, das es wert ist, weiter erforscht zu werden.

Ob Sie nun ein erfahrener Sounddesigner sind, der die Grenzen der Klangmanipulation ausloten möchte, oder ein Neuling, der nach einer neuen Möglichkeit sucht, kreative Klänge zu erzeugen, additive Synthese bietet eine tiefgründige und aufregende Welt der Klanggestaltung, die nur darauf wartet, entdeckt zu werden.

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    Curtis Roads bietet ein umfassendes Nachschlagewerk zur Computermusik, das auch die additive Synthese detailliert behandelt.

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Autor: Sascha Markmann

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