Freundschaften

“Gute Freundschaften ergeben sich –schlechte plant man.”
Kitty Pimmer

Für jemanden wie mir, der unter einer Borderline-Störung leidet, ist das Thema “Freundschaften” immer so eine Sache, die nicht ganz einfach zu erklären oder zu verstehen ist, denn oft sind Menschen ja geheimnisvolle Wesen.

Ich hatte nie viele Freunde in all den Jahren, in denen ich jetzt hier lebe. Wirkliche Freunde hatte ich 10 Stück und das ist nicht so viel dafür, dass ich schon 40 Jahre alt bin. Heute habe ich wirkliche Freunde eher im Internet, als hier vor Ort. Menschen, die ich noch nie gesehen habe. Aber reale Freunde habe ich zurzeit keine.

Es ist ja so, dass man sich an alles gewöhnen kann und in keinster Weise irgendwo etwas ist, was man dann vermisst. Ich meine, ich war nie der große, gesellige Typ, aber ich habe es schon geschätzt, wenn ich Freunde und Bekannte in meiner Nähe hatte oder mit ihnen, was unternehmen konnte. Bei der Menge an Leuten, die ich jetzt kenne, aber nicht sehe, ist das dann auch nicht viel einfacher.

Es ist immer so, dass ich halt weiß, wie Leute zu mir stehen und ich habe immer das Gefühl, man mag mich nicht. Ich bin zwar immer nett und freundlich und bekomme auch Nettigkeit und Freundlichkeit zurück, aber ich bin immer am Überlegen, ob das echt ist, was derjenige macht, oder ob derjenige nur so tut.

Es ist immer so: Ich frage nicht, ich schaue mich um und beobachte und werde dann immer als sehr ruhig und introvertiert wahrgenommen. Dabei bin ich das im Grunde gar nicht – ich bin ein lustiger und geselliger Mensch, nur muss ich immer schauen, beobachten und gucken, ob derjenige Mensch, der mir gegenübersitzt, auch das ist, wofür ich ihn halte und mir nicht feindlich eingestellt ist. Das ist sehr anstrengend auf die Dauer.

Mit dieser Sogenannten (ich nenne es immer) “Freund / Feind”-Erkennung habe ich halt gute Ergebnisse erzielt und habe oft und viel für mich die Entscheidung treffen können, ob derjenige, der mir gegenüber ist, es gut oder böse mit mir meint. Aber es strengt sehr an und der Umgang ist dann mit Menschen für mich sehr anstrengend auf Dauer, sodass ich das oft nicht länger als ein paar Stunden am Tag aushalten kann. Vor allen Dingen jetzt nach dem Schlaganfall ist es für mich besonders schwierig, solange die Konzentration aufrecht zu halten ist, ist es regelrecht eine harte Arbeit, alles um einen herum beobachten zu können.

Es fängt ja schon alleine da an, dass wenn ich ein Eis essen gehe, beobachte, wie sich die Leute um mich herum verhalten, was sie sagen und denken könnten, damit ich mich schützen kann, denn wenn ein großer, adipöser, junger Mann dort sitzt, ein Eis isst und dann auch noch mit Schlagsahne, ist das ja sicher kein Wunder, dass er so fett ist. Leider habe ich dies auch schon öfters zu hören bekommen und bin deshalb auch hochsensibel.

Das sind alles Sachen, die den Umgang für mich mit anderen Menschen sehr schwer machen würde und ich habe mich immer dann, wenn zu viele fremde Menschen, die ich nicht einschätzen konnte, um mich herum waren, anders verhalten. So kann man sicher keine Freunde finden. So kann man keine Freundschaften aufbauen, denn jeder merkt doch, dass ich anders bin und dass ich mich anders verhalte und dass ich gehemmt bin und mich nicht natürlich gebe.

Ich habe immer meine Schwester bewundert, wie leicht und wie unbeschwert sie auf andere Menschen zugeht und so immer wieder neue Freundschaften knüpfen und interessante Menschen kennenlernen konnte. Das Entdecken habe ich so noch nie hinbekommen, weil ich immer gucken musste, links, rechts, was denkt ihr? Was sagt der? Das hat meine Aufmerksamkeit und mehr und mehr auf alles um mich herum gelernt, als auf das Gegenüber und das merkt der andere.

Selbst wenn ich mich betäubt habe mit Alkohol oder anderen Substanzen, ist dieser Mechanismus bei mir nicht abzustellen. Klar, dann bin ich wesentlich lockerer, aber dennoch bekomme ich alles um mich herum mit und das ist etwas, was andere immer sehr bewundernswert finden, was ich für Kleinigkeiten am anderen Menschen bemerke, aber mich strengt es halt immer sehr an und so sitze ich gerne alleine für mich da, obwohl ich eigentlich der gesellige Mensch bin.

In Zeiten, in denen ich unbeschwert sein konnte, habe ich ja den Status als Rampensau gehabt, als jemand, der alles macht und alles gibt, aber nun ist es mal so, wie es halt ist und auch wenn ich es gerne anders hätte, wie soll ich aus meiner Haut rauskommen? So lebe ich ein Leben, was ich halt so kenne und wo ich mich nicht immer anstrengen muss und das setzt zwar voraus, dass ich mit wenig Menschen zu tun habe, aber es ist okay für mich.

Viele denken ja, wenn sie mich kennenlernen, dass ich vielleicht sogar sehr arrogant bin oder etwas abgehoben, weil ich so reagiere, wie ich reagiere. Dabei gibt es Momente, in denen ich regelrecht nach Aufmerksamkeit und Zwischenmenschlichkeit lechze, aber leider ist das nicht immer da oder nicht ertragbar für mich. So ist es selbst dann, wenn eine Partnerin das bemerkt, dass ich nicht immer so bin, wie ich bin. Jetzt ist das für jemanden, der an Borderline erkrankt ist, nicht immer so einfach zu erklären, wie er grade ist, weil er selber nicht weiß, was er gerade ist, aber ich habe immer wieder erlebt, dass halt Menschen um mich herum mir gesagt haben, dass ich jetzt anders bin als sonst und das waren immer Momente, in denen viele Menschen um mich herum waren.

Es gibt hier und dort Sachen, die ich gerne ändern würde. z. B. wäre ich gerne im Umgang mit anderen Menschen wesentlich entspannter. Es ist sogar so, dass ich, wenn ich bei meinen Schwiegereltern war, selbst dort immer sehr angespannt und verkrampft war, weil, obwohl ich wusste, dass sie mich mögen, ich gefühlsmäßig das nicht wusste und dort öfters was anderes empfunden habe, obwohl das Wissen, wir was anderes vermittelt haben und dieser Zwiespalt ist sehr, sehr anstrengend mit der Zeit, weil ich immer wieder überprüfen muss, was ist was.

Dies ist auch der Grund, warum ich dem Alkohol mittlerweile sehr kritisch gegenüberstehe, denn er verringert meine Fähigkeit, abzuschätzen. Was ist, er führt zwar dazu, dass ich wesentlich entspannter und lockerer bin, aber halt auch dazu, dass ich mich noch mehr anstrengen muss, um herauszufinden, wer Freund oder feind ist. Was dann wieder in einem Mittelmaß an Angespanntheit und Alkohol endet und das ist nicht gerade einfach, denn es ist jedes Mal ein anderes Niveau. Eine sehr komplizierte Sache.

Also mein Fazit ist es, dass ich es immer wieder versuchen werde, mich in der Gegenwart von anderen Menschen so wohl wie möglich zu fühlen, auch wenn da viele Ängste dabei sind, aber ich gebe nicht auf, dass es mir irgendwann mal auch auf Dauer gelingen wird, mit anderen Menschen für eine längere Zeit zusammen sein zu können, ohne dass ich mich immer frage, was sie grade, denken oder fühlen – oder ob sie schlecht über mich denken. Dass es mir einfach egal wird, weil ich weiß, es gibt nur das, dass sie mich nett finden oder eben das Gegenteil.

Kennt ihr auch solche Situationen oder habt ihr auch solche Erfahrungen?

Euer Sascha

Autor: Sascha Markmann

Legastheniker am Werk (Mehrfaches lesen meiner Postings kann zu irreparable Schäden an den Augen führen z. B.. Pseudotumor-zerebral-Syndrom) Leicht gestörter bis Mittel schwerer Fall von Überlebens Künstler, Maler, Blogger, Musiker, Podcaster und Video Produzenten "Audiovisueller STUMPFSINN mit keinem Nutzwert"

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