Borderline: Warum Nähe und Distanz ein ewiges Spannungsfeld bleiben

„Ursachen verstehen – Strategien entwickeln – Beziehungen bewusst gestalten“

Einleitung – das unsichtbare Pendel

Für viele Menschen ist Nähe angenehm und Distanz eine harmlose Pause. Für Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist dieses Gleichgewicht ein fragiles, hochsensibles System. Das innere Pendel zwischen „ganz nah“ und „ganz weit weg“ kann ohne Vorwarnung ausschlagen – manchmal innerhalb von Minuten, scheinbar „grundlos“, tatsächlich aber getriggert durch Mikroreize, Stressreste oder uneindeutige Signale.

Alltagsszene: Freitagabend – nach einer anstrengenden Woche endlich Zeit zu zweit. Der Abend ist vertraut, warm, intensiv. Am nächsten Tag, nach Stunden intensiver Nähe, steigt plötzlich Gereiztheit auf: „Ich brauche Luft.“ Der Partner versteht es nicht, fühlt sich zurückgewiesen. Am Sonntag kommen Schuldgefühle und zugleich die starke Sehnsucht, wieder ganz nah zu sein.

Dieses Hin‑und‑Her ist kein Spiel und keine bewusste Manipulation. Es fußt auf drei Ebenen, die sich gegenseitig verstärken können:

  • Neurobiologie (Reizverarbeitung, Stresssystem, Erregungsregulation)
  • Bindungserfahrungen (Ambivalenz, Verlustangst, Scham)
  • Kognitive Muster (Interpretationsfehler, schnelle Heuristiken)

Ziel dieses Artikels: verstehen, woher das Pendeln kommt, und konkrete Werkzeuge liefern, um Intensität zu steuern statt sie ertragen zu müssen. Nicht Abstumpfung, sondern feinere Regelung ist das Ziel.


1) Nähe und Distanz – mehr als nur räumlich

Viele sehen Nähe/Distanz nur als „im selben Raum oder nicht“. In Beziehungen existieren mehrere Ebenen, die unabhängig voneinander geregelt werden können.

1.1 Vier Ebenen, vier Regler

  1. Physisch: Anwesenheit, Berührung, gemeinsame Routinen, Schlafarrangements.
    Beispiel: Zusammen auf dem Sofa sitzen vs. in getrennten Zimmern parallel etwas tun.
  2. Emotional: Trost, Resonanz, Validierung, geteilte Freude/Leid.
    Beispiel: Aktives Zuhören statt Fix-it-Ratschläge.
  3. Kognitiv: Selbstoffenbarung zu Zweifeln, Plänen, Werten.
    Beispiel: „Ich überlege, den Job zu wechseln – darf ich laut denken?“
  4. Digital: Frequenz, Antwortzeiten, Lesebestätigungen, „zuletzt online“.
    Beispiel: Zwei Sprachnachrichten/Tag vs. „Melde mich abends gesammelt.“

1.2 Parameter, die alles kippen können

  • Intensität (oberflächlich ↔ intim), Dauer, Frequenz, Timing, Exklusivität, Vorhersehbarkeit.
    Metapher: Kein Lichtschalter, sondern ein Mischpult. Alles auf 10 = Verzerrung.

1.3 Zusätzliche Unterpunkte (oft übersehen)

  • Umfeld-Einfluss: Lautstärke, Licht, Temperatur, Menschenmenge modulieren Näheempfinden.
  • Tagesform: Schlafmangel, Schmerz, Koffeinspitzen verengen das „Fenster der Toleranz“.
  • Erwartungsdruck: „Es muss schön sein“ erzeugt Stress und führt zu Rückzug.

1.4 Messbare Signale für den „guten Mix“

  • Gesprächsanteil 60/40 ±10, Antwortfenster (z. B. 2–4 h) definiert, Me‑Time‑Slots im Kalender.
  • After‑Contact‑Check: 10 Minuten nach Treffen → Gefühlsskala (0–100): Nähe angenehm? Überreizt?

1.5 Dialogbeispiele

A: „Du bist heute still – alles gut?“
B: „Bin noch voll von gestern. 30 Minuten Me‑Time, dann gern zusammen kochen?“
A: „Danke fürs Ansagen. Ich stell schon mal was bereit.“

A: „Kannst du heute öfter schreiben?“
B: „Bin im Gelb-Bereich. Zwei Check‑ins (13/19 Uhr) schaffe ich zuverlässig.“


2) Warum die Balance bei BPS instabil wird

2.1 Neurobiologie – das sensible Alarmsystem

  • Amygdala reagiert früh und stark → schnelle Alarmierung bei Ambiguitäten („blaue Haken, aber keine Antwort“).
  • Präfrontaler Kortex kommt verspätet dazu → rationale Re‑Interpretation hinkt hinterher.
  • Stressachsen (Cortisol/Noradrenalin) erhöhen Vigilanz, senken Ambiguitätstoleranz.
  • Oxytocin kann Bindung stärken, aber bei unsicherer Bindung auch Eifersucht/ Kontrolle mit verstärken.

Mini‑Dialog:

„Warum hast du nicht geantwortet?“ – „Meeting.“ – „Mein Körper war sofort auf Alarm. Ich weiß, dass es unlogisch ist, aber es fühlte sich wie Ablehnung an.“

2.2 Bindung – Nähe als Ressource und Risiko

Inkonsistente Fürsorge prägt zwei Grundsätze:

  1. „Nähe beruhigt.“
  2. „Nähe kann verletzt/entzogen werden.“
    Beide Wahrheiten sind aktiv, das Nervensystem „blendet“ zwischen ihnen – je nach Kontext, Tagesform, Triggern.

2.3 Kognitive Shortcuts

  • Dichotomien („für mich/gegen mich“), Gedankenlesen, Katastrophisieren, Personalisieren.
  • Gegenmittel: Faktenliste (60 Sek), 3 Alternativen, Skala statt Urteil („Stress 70/100 → Ziel 50“), Hypothesen‑Sprache.

2.4 Zusätzliche Unterpunkte

  • Trigger‑Summierung: 5 kleine Stiche = 1 großer Alarm.
  • Übertragungen: Arbeitsstress „färbt“ Beziehungsgespräch.
  • Fehlende Rückversicherung: Ohne explizite Info füllt das Gehirn Lücken negativ.

3) Nähe & Distanz im Körper spüren – Interozeption als Frühwarnsystem

3.1 Kurzprotokoll (2 Minuten)

  1. Augen schließen, 3 ruhige Atemzüge.
  2. Brust/Bauch/Hände scannen und je ein Wort notieren („eng“, „warm“, „taub“).
  3. Frage: „Brauche ich Nähe, Distanz oder Struktur?“
  4. Mikro‑Plan formulieren: „10 Min alleine, dann Spaziergang zusammen.“

3.2 Atem‑ und Nervensystem‑Reset

  • Paced Breathing 4/6 (4 ein, 6 aus, 3–10 Min).
  • Isometrie (10 Sek Spannung, 20 Sek lösen ×5).
  • Kälte‑Skill (Unterarme kalt, Eispack im Tuch an den Halsseiten, 60–120 Sek).

3.3 Biofeedback‑Marken (alltagstauglich)

  • Pulsuhr/Smartwatch als Anker: >15 % über Ruhepuls → Kurz‑Reset.
  • Haltungs‑Ping: Beim Rundrücken 3 Mal tief atmen (Sensor oder bewusster Check).

3.4 Anwendungsszenario

Beim Kochen kribbeln Hände, Brust wird eng, Gedanken rasen. Ansage: „Ich bin gelb: 20 Min Pause, dann gemeinsam essen.“


4) Alltagsszenarien – differenziert und konkret

4.1 Partnerschaft

  • Fall A (nach Urlaub): Reizüberflutung → Dosis‑Annäherung (abends 45 Min zusammen, 45 Min getrennt).
  • Fall B (spontan bleiben?): Ampel vorher klären – Grün: Nähe frei; Gelb: leise Nähe; Rot: Pause mit Rückkehrzeit.
  • Fall C (Bedürfnis‑Konflikt): If‑then: „Wenn ich nach 2 Stunden unruhig werde, dann Spaziergang 20 Min und danach zurückkommen.“

Dialog:

A: „Ich will den Sonntag ganz zusammen.“
B: „Deal: 2×90 Minuten zusammen, dazwischen 2×30 Minuten Solo‑Zeit. Abends Check‑in.“

4.2 Freundschaft & Familie

  • Spontanbesuch: Schild „Bitte vorher schreiben“ ist kein Affront, sondern Selbstschutz.
  • Familienfeier: Rückzugsort vereinbaren („5‑Min‑Balkonregel“), Co‑Signal mit Partner (Hand aufs Handgelenk = „zu viel“).

4.3 Arbeit

  • Silent Treatment im Team → Strukturfrage: „Bis wann ist mit Feedback zu rechnen?“
  • Vor Meeting überreizt → 3‑Min‑Reset (4/6‑Atmung, Schulter‑Isometrie).
  • E‑Mail‑Regel: Im Affekt Entwurf speichern, Timer 20 Min, dann prüfen/senden.

4.4 Digital

  • Blaue HakenAntwortfenster (z. B. 18–21 Uhr) + Lebenszeichen‑Emoji bei Busy.
  • Doomscrolling → Stummzeiten + 3 feste Check‑Slots (9/13/19 Uhr).
  • „Zuletzt online“ aus → verringert Mikrobewertungen.

5) Skills für Akutsituationen – präzise & überprüfbar

5.1 STOPP 2.0 – Schritt für Schritt mit Beispiel

  1. Stop – Gerät weglegen.
  2. Atmen – 10 Zyklen, länger aus als ein.
  3. Orientieren – 5 sehen, 4 fühlen, 3 hören, 2 riechen, 1 schmecken.
  4. Labeln – „Angst 70, Ärger 30, Scham 20“.
  5. Plan – „Ich schreibe eine Bitte, nicht vier Vorwürfe.“

Beispiel‑Nachricht: „Als du nicht geantwortet hast (Fakt), kam bei mir Panik (Gefühl). Schaffst du heute ein Antwortfenster? (Bitte)“

5.2 Körper‑Skills – schnell wirksam

  • Kälte‑Sprint (60–120 Sek), Isometrie‑Wellen (5×), Geh‑Reset (10–15 Min, 4/6 Atmung).
  • Reiz‑Umleitung: Gummiband‑Snap am Handgelenk + 3 tiefe Atemzüge + kaltes Wasser.

5.3 Zusätzliche Unterpunkte

  • Skill‑Notfallset: Eisgel, Pfefferminzöl, Traubenzucker, Kopfhörer (Noise), kleiner Zettel mit 3 Sätzen.
  • Skill‑Timer: 3‑Min‑Wecker – kurz, machbar, wiederholbar.

6) Therapieansätze mit Praxis – DBT, MBT, ACT

6.1 DBT (Dialektisch‑Behaviorale Therapie)

Bausteine & Anwendungen:

  • Achtsamkeit: Beim Essen 1 Handy‑freier Gang – Geschmack/Temperatur bewusst wahrnehmen.
  • Stresstoleranz: Bei Trigger zuerst TIPP‑Skills (Temperatur, Intensive Bewegung, Paced Breathing, Progressive Muskelentspannung).
  • Emotionsregulation: Morgen‑Check (Schlaf, Schmerz, Koffein, Hunger) → Tag anpassen.
  • Zwischenmenschliches: DEAR‑MAN bei Bitten/Kritik.

DEAR‑MAN‑Beispiel:
D: „Am Mittwoch kamen 5 Nachrichten zwischen 22–23 Uhr.“
E: „Ich wurde unruhig (70/100).“
A: „Bitte schreib nach 22 Uhr nur bei Notfällen.“
R: „Dann bin ich am nächsten Tag klarer.“
M/A/N: Wiederholen, klar bleiben, Kompromiss möglich (eine Sprachnachricht okay).

6.2 MBT (Mentalisierungsbasierte Therapie)

Kernidee: Hypothesen statt Gewissheiten. Gefühle/Absichten bei sich und anderen als vermutet markieren.
Praxis: Vor dem Gespräch 3 Fragen schriftlich: Was fühle ich? Was könnte die andere Person fühlen? Welche Daten sprechen wofür?
Beispiel‑Dialog:

„Ich vermute, du bist gestresst, nicht genervt von mir. Stimmt das?“

6.3 ACT (Akzeptanz‑ und Commitment‑Therapie)

Kernidee: Unangenehme Gefühle akzeptieren, trotzdem werteorientiert handeln.
Werte‑Check (Kurz): Nähe, Respekt, Ehrlichkeit, Ruhe.
Praxis‑Mini: Dreischritt – 1) Gefühl benennen („Angst ist da“). 2) Körper erden (Atmung 4/6). 3) Nächste wertebasierte Mikro‑Handlung („Ich antworte freundlich in 2 Sätzen“).


7) Kommunikationsprotokolle & Dialoge

7.1 DEAR‑MAN in Varianten

  • Kurzversion (3 Sätze): Fakt – Gefühl – Bitte.
  • Langversion: + Nutzen, + Alternative, + Zeitfenster.

Beispiel kurz: „Als die Antwort ausblieb, wurde ich ängstlich. Kannst du mir heute ein Zeitfenster nennen?“

7.2 GIVE & FAST (DBT‑Sozialskills)

  • GIVE (freundlich, interessiert, validierend, entspannt) in Nähe‑Gesprächen.
  • FAST (fair, keine übertriebene Entschuldigung, sich treu, sachlich) in Grenz‑Gesprächen.

7.3 Nachrichten‑Hygiene

  • Im Affekt max. 3 Sätze, dann 20 Min Pause.
  • Triggerwörter meiden („immer/nie/egal“).
  • Emoji‑Leitcodex (❤️ = Zuneigung, 🟡 = gelb/„leise Nähe“, 🕒 = „melde mich später“).

8) 8‑Wochen‑Plan mit Metriken

Zielmetriken (Beispiele): Repair‑Latenz (Minuten/Stunden), Affekt‑Nachrichten/Woche, Anzahl Push‑&‑Pull‑Schleifen/Woche, Schlafkonstanz (± Minuten).

  • Woche 1 – Beobachten: Täglich 1 Mini‑Kettenanalyse; 3 feste Handy‑Slots.
  • Woche 2 – Körperbasis: Schlaf ±30 Min, 3×20 Min Gehen (4/6), Koffein halbieren.
  • Woche 3 – Kommunikation: Pausenvertrag „trocken“ üben; 2 echte DEAR‑MAN‑Bitten.
  • Woche 4 – Nähe‑Design: Wöchentlicher Check‑in starten; „Wenn X, dann Y“-Regeln formulieren.
  • Woche 5 – Mentalisieren: Vor Gesprächen 3‑Fragen‑Zettel.
  • Woche 6 – Scham entgiften: Hand auf Brust, 5 Atemzüge, Satz: „Schwieriges Gefühl, menschliche Reaktion.“
  • Woche 7 – Digital‑Hygiene: Lesebestätigungen aus; Statusfenster einführen.
  • Woche 8 – Review: Metriken prüfen, 2 Anpassungen festlegen.

9) Häufige Missverständnisse – sauber geklärt

  • „Push & Pull ist Manipulation“ → Meist ungeschickte Selbstregulation. Grenzen bleiben trotzdem gültig.
  • „Mehr Liebe löst alles“ → Liebe ohne Struktur eskaliert oft. Struktur schützt Liebe.
  • „Man muss weniger fühlen“ → Ziel ist fein steuern, nicht abstumpfen.
  • „Kontaktsperre ist immer richtig“ → Manchmal nötig; häufig besser: geplante Time‑outs mit Rückkehrzeit.

10) Fallvignetten – Kettenanalysen in echt

10.1 „Späte Antwort“

  • Auslöser: Gelesen‑Haken, 2 h keine Antwort.
  • Deutung: „Ich bin unwichtig.“
  • Gefühle: Angst 80, Wut 40, Scham 30.
  • Körper: Enge Brust, kalte Hände.
  • Handlung (alt): Vier Vorwürfe.
  • Folgen: Streit, Rückzug.
  • Abbiegestelle: STOPP, Kälte‑Skill, Fakt‑Gefühl‑Bitte.
  • Neuer Plan: „Schaffst du heute 19–21 Uhr ein Fenster?“

10.2 „Zu viel Nähe nach drei Tagen“

  • Auslöser: Spontan bleibt Partner länger.
  • Deutung: „Ich bekomme keine Luft.“
  • Plan: „Bin gelb: 30 Min leise Nähe, dann 45 Min Me‑Time; danach gern weiter.“

10.3 „Familienfest‑Overload“

  • Auslöser: Laut, viele Eindrücke.
  • Plan: 5‑Min‑Balkonregel, Hand‑Signal, Wasser + 4/6‑Atmung.
  • Messpunkt: Nach 2 Pausen wieder reguliert?

11) Werkzeugkasten – Checklisten, Vorlagen, Alltagstipps

11.1 Ampelsystem (mit Menü)

  • Grün: Nähe frei (Kuscheln, Gespräch, Aktivität).
  • Gelb: leise Nähe, 20‑Min‑Blöcke, keine Grundsatzthemen.
  • Rot: Pause, Rückkehrzeit fix, Ko‑Regulation (Spaziergang, Tee, Decke).

Kurzformel sagen: „Ich bin gelb – gern nebeneinander sitzen, ohne tiefes Gespräch; danach 30 Min allein.“

11.2 Pausenvertrag (Vorlage zum Abfotografieren)

„Ich bin überfordert. 20 Min Pause. Zurück um: :. Danach ansprechbar. Wenn es nicht reicht, vorher kurz schreiben.“

11.3 Nachrichten‑Hygiene (Checkliste)

  • [ ] Im Affekt ≤ 3 Sätze schreiben
  • [ ] 20 Min Timer, dann erneut prüfen
  • [ ] „Ich‑Satz“ (Ich fühle …, wenn …, ich wünsche mir …)
  • [ ] Keine „immer/nie“-Wörter

11.4 Täglicher Körper‑Check (90 Sek)

  • Brust (eng/weit), Bauch (ruhig/unruhig), Hände (warm/kalt).
  • Entscheidung: Nähe / Distanz / Struktur.
  • Aktion: 1 Mikro‑Schritt (z. B. 5 Min Balkon).

11.5 Digital‑Hygiene

  • Lesebestätigungen aus, „zuletzt online“ aus.
  • 3 Check‑Slots (9/13/19 Uhr).
  • „Lebenszeichen‑Emoji“ bei Busy.

11.6 Notfallkarte

  • 3 Skills (Kälte, Isometrie, Gehen)
  • 1 Person (Name + Nummer)
  • 1 Ort (Park/Bad mit Kaltwasser)
  • 1 Satz: „Ich komme zurück um :.“

11.7 Werte‑Kompass (ACT)

  • Werte: Nähe, Respekt, Klarheit, Ruhe.
  • Heute 1 Mikro‑Handlung pro Wert (z. B. „freundlicher Ton, obwohl angespannt“).

12) FAQ – kurz & konkret

Wie viel Distanz ist „gesund“?
So viel, dass Regeneration möglich ist – so wenig, dass Bindung spürbar bleibt. Testen, nachjustieren.

Kann das Push‑&‑Pull verschwinden?
Oft wird es seltener, kürzer, leiser. Vollständiges Verschwinden ist nicht nötig, wenn Steuerung gelingt.

Hilft Medikation?
Sie kann Begleitfaktoren (Schlaf, Angst, Depression) beeinflussen. Beziehungsregulation braucht trotzdem Skills & Struktur – ärztlich begleiten lassen.

Was, wenn Grenzen nicht akzeptiert werden?
Sicherheit vor Nähe: Gespräch beenden, Zeiten schützen, Unterstützung holen.


Fazit – Nähe und Distanz als gestaltbare Dynamik

Das Spannungsfeld bleibt – aber es lässt sich gestalten. Wer Neurobiologie, Bindung und Kognitionen versteht, erkennt Eingriffspunkte: pausieren statt polarisieren, kalibrieren statt kassieren, planen statt hoffen. Beziehungen werden robuster, wenn sie mix‑fähig sind: mal näher, mal weiter – mit Rückweg, Ritualen und messbaren Repair‑Schritten.


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Fazit

Diese Bücher können dich dabei unterstützen, das Spannungsfeld zwischen Nähe und Distanz bei Borderline besser zu verstehen – und es aktiv zu gestalten. Ob als Betroffener oder als Partnerin: Verstehen ist der erste Schritt zur Veränderung.

Tipp: Wähle ein Buch, das zu deiner aktuellen Situation passt – und setze dir ein klares Ziel, was du daraus mitnehmen willst.


Glossar:

Affektregulation
Fähigkeit, eigene Emotionen zu erkennen, zu steuern und in ihrer Intensität anzupassen. Bei BPS oft eingeschränkt, was zu schnellen Stimmungswechseln führt.

Ampelsystem (Beziehung)
Ein vereinbartes Modell mit den Stufen „Grün“ (freie Nähe), „Gelb“ (eingeschränkte Nähe) und „Rot“ (Pause), um Nähe- und Distanzbedürfnisse transparent zu machen.

Amygdala
Teil des limbischen Systems im Gehirn, zuständig für emotionale Reaktionen wie Angst oder Wut. Bei BPS oft überaktiv und löst schnelle, intensive Reaktionen aus.

Bindungsmuster
Verhaltensweisen, wie Menschen Nähe und Distanz gestalten, basierend auf frühen Beziehungserfahrungen. Beispiele: sicher, unsicher-ambivalent, unsicher-vermeidend, desorganisiert.

BPS (Borderline-Persönlichkeitsstörung)
Psychische Störung mit Mustern starker Gefühlsintensität, instabiler Beziehungen, Impulsivität und Identitätsunsicherheit.

DBT (Dialektisch-Behaviorale Therapie)
Therapieform, die Achtsamkeit, Emotionsregulation, Stresstoleranz und zwischenmenschliche Fertigkeiten trainiert. Besonders wirksam bei BPS.

DEAR-MAN
Kommunikationstechnik aus der DBT für klare Bitten und Verhandlungen: Describe, Express, Assert, Reinforce – Mindful, Appear confident, Negotiate.

Fenster der Toleranz
Individueller Bereich von Erregung, in dem man handlungsfähig bleibt. Bei BPS oft enger, sodass Über- oder Untererregung schnell erreicht wird.

Hypothesen-Sprache
Kommunikationsstil, bei dem Vermutungen als Annahmen formuliert werden („Ich vermute, dass…“) statt als absolute Wahrheit. Hilft, Missverständnisse zu vermeiden.

Interozeption
Wahrnehmung innerer Körpersignale (Herzschlag, Atmung, Muskelspannung). Gutes Interozeptions-Training kann helfen, emotionale Reaktionen früher zu erkennen.

Kettenanalyse
Strukturierte Aufarbeitung einer problematischen Situation: vom Auslöser über Gedanken, Gefühle, Körperreaktionen bis zur Handlung und ihren Folgen.

MBT (Mentalisierungsbasierte Therapie)
Therapieansatz, der die Fähigkeit stärkt, Gedanken, Gefühle und Absichten bei sich und anderen zu verstehen, um Beziehungen stabiler zu gestalten.

Nähe-Crash
Plötzlicher Wunsch nach Distanz nach einer Phase intensiver Nähe – häufiges Muster in Borderline-Beziehungen.

Pausenvertrag
Vorab vereinbarte Unterbrechung eines Gesprächs mit fester Rückkehrzeit, um Eskalationen zu vermeiden.

Push-&-Pull
Wechsel zwischen Annäherung („Push“) und Rückzug („Pull“) in einer Beziehung, oft als unbewusste Reaktion auf Angst vor Verlust oder Verschmelzung.

Repair-Schritt
Gezielte Handlung nach einem Konflikt, um die Beziehung wieder zu stabilisieren (z. B. Entschuldigung, Erklärung, gemeinsame Vereinbarung).

Selbstregulation
Fähigkeit, innere Spannungen und Impulse so zu steuern, dass langfristige Ziele erreicht und Beziehungen nicht unnötig belastet werden.

Skill
Konkrete Technik zur Emotionsregulation, z. B. Kälteanwendung, Atemübungen oder gezielte Ablenkung.

STOPP
DBT-Übung zur Unterbrechung impulsiver Reaktionen: Stoppen, Tief atmen, Orientieren, Problem benennen, Plan umsetzen.

Autor: Sascha Markmann

Sascha Markmann ist ein kreativer Kopf mit bewegter Biografie: Informatiker, studierter Philosoph, Religionswissenschaftler und Psychologe – und gleichzeitig ein Mensch, der das Leben nach einem Schlaganfall ganz neu entdeckt hat. Nach Stationen als Rettungssanitäter und Altenpfleger fand Sascha seinen Weg in die Welt des kreativen Ausdrucks: Als Blogger, Musiker, Podcaster, Philosoph und visueller Geschichtenerzähler kombiniert er technisches Know-how mit emotionaler Tiefe und einem schrägen Sinn für Humor. Seine Beiträge entstehen irgendwo zwischen Borderline, Acid Bassline und Beistand – ehrlich, direkt und gerne auch mal mit einem Augenzwinkern. Leitmotiv: „Audiovisueller Stumpfsinn mit keinem Nutzwert – aber vielleicht genau deshalb so wertvoll.“

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