00:00 – 0:00:17
[Musik]
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0:00:17 – 0:00:20
Hallo und willkommen zu einer neuen Ausgabe der Abspeifung.
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0:00:20 – 0:00:29
Da wo ich herrlich und eigentlich immer, naja fast immer, vom eigentlichen Thema, was ich mir vorgenommen habe, abspeife.
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0:00:29 – 0:00:33
Ich bin Sascha Markmann und sage Hallo.
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0:00:33 – 0:00:41
Das heutige Thema, was ich mir überlegt habe, da weiß ich noch gar keinen Titel für.
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0:00:41 – 0:00:54
Es geht um, warum ich meine Bildung sehr oft, gar nicht so oft nach außen trage,
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0:00:54 – 0:01:02
sondern es wenig bis gar nicht kommuniziere.
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0:01:02 – 0:01:07
Also, ich mache jetzt mal so einen groben Umriss.
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0:01:07 – 0:01:14
Ich war ein Jahr lang auf einer Regelschule und sollte das Jahr wiederholen
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0:01:14 – 0:01:18
und es kam auch der Verdacht auf, dass irgendetwas bei mir nicht stimmt.
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0:01:18 – 0:01:28
Also hatte ich so eine besondere Untersuchung damals beim Gesundheitsamt
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0:01:28 – 0:01:36
und da kam heraus, dass bei mir eine Hochbegabung vorliegt
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0:01:36 – 0:01:39
und dass die normalen Schulen nichts für mich wäre.
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0:01:39 – 0:01:46
Jetzt war das damals so Anfang der 80er Jahre noch nie so ein wirklich Riesenthema,
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0:01:46 – 0:01:55
dass man Kinder, die halt solche speziellen Bedürfnisse haben,
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0:01:55 – 0:01:59
und großartig unterstützt, es sei denn, man wohnt ja in der Großstadt
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0:01:59 – 0:02:04
und ich habe zwar im Ruhrgebiet gewohnt, aber nicht direkt in der Großstadt,
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0:02:04 – 0:02:10
sondern am Rand vom Ruhrgebiet, eher Richtung Grenze Münsterland.
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0:02:10 – 0:02:18
Und einer von den Sozialarbeitern, die dabei waren, meinte dann so,
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0:02:18 – 0:02:21
ob meine Eltern schon mal was von der Waldorfschule gehört hätten.
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0:02:21 – 0:02:26
Und da sagte mein Vater, ja, da hat eine Arbeitskollegin,
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0:02:26 – 0:02:32
mein Vater hat damals als Heil- und Erziehungspfleger gearbeitet,
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0:02:32 – 0:02:35
in einer Wohnstätte für geistig Behinderte,
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0:02:35 – 0:02:42
und die Arbeitskollegin davon, die Tochter, die wäre von der Schule sehr begeistert.
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0:02:42 – 0:02:49
Ja, dann hat man wohl familienintern das besprochen,
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0:02:49 – 0:02:51
ich meine, die Schulen sind ja auch nicht ganz billig,
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0:02:51 – 0:02:55
und da meine Mutter und mein Vater auch bei der Arbeit gegangen sind
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0:02:55 – 0:02:59
und ganz gut verdient haben, redet man jetzt auch über einen etwas größeren Geldbetrag,
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0:02:59 – 0:03:03
den man da so bezahlen muss.
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0:03:03 – 0:03:12
Ja, dann war ich halt auf der Waldorfschule, in einer Klasse so ungefähr mit 40 Leuten.
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0:03:12 – 0:03:15
Und das Interessante an der Schule war gewesen,
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0:03:15 – 0:03:17
dass man die Schule nicht nur mit dem Abitur verlassen konnte,
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0:03:17 – 0:03:21
sondern auch mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung in verschiedenen Bereichen,
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0:03:21 – 0:03:29
also handwerklich, als Erzieher, als Schneider und noch viele andere Sachen.
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0:03:29 – 0:03:35
Ja, da kam dann irgendwann mal so die Vermutung,
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0:03:35 – 0:03:41
weil ich eigentlich nie das Klassenziel wirklich erreicht habe,
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0:03:41 – 0:03:47
das könnte auch sein, dass ich da vielleicht eine Legasthenie oder sowas habe,
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0:03:47 – 0:03:52
oder auch eine Dyskalkulie, und das wurde dann untersucht,
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0:03:52 – 0:03:58
damals in Wittenherdecke, und da kam heraus, ja, Jackpot,
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0:03:58 – 0:04:06
da ist eine Legasthenie vorhanden, also eine stärkere Lese- und Rechtschreibschwäche.
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0:04:06 – 0:04:11
Eine Lese- und Rechtschreibschwäche könnte man mit gezieltem Training halt
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0:04:11 – 0:04:15
wieder rausbügeln, und dann kommt man besser zurecht,
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0:04:15 – 0:04:19
aber bei der Legasthenie ist irgendwie eine Fehlverdrahtung.
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0:04:19 – 0:04:25
Ja, dann hatte man besprochen gehabt, was man da machen könnte,
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0:04:25 – 0:04:29
und dann, die Klasse ist definitiv zu groß für mich,
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0:04:29 – 0:04:32
und man könnte auf meine speziellen Bedürfnisse halt nicht eingehen,
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0:04:32 – 0:04:35
und dann standen wir dann für einen Schulwechsel an,
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0:04:35 – 0:04:38
ich bin dann von der 5. in die 6. Klasse gegangen,
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0:04:38 – 0:04:42
und habe dort in einer sogenannten kleinen Klasse,
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0:04:42 – 0:04:48
wir waren maximal 14 Leute, also die meiste Zeit waren wir irgendwie so immer um die 12,
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0:04:48 – 0:04:54
habe dann dort nach einem halben Jahr so ein Aha-Erlebnis gehabt,
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0:04:54 – 0:04:59
dass irgendwie ich von meiner kindlich verträumten Welt
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0:04:59 – 0:05:02
auf einmal das alles Sinn gemacht hat, was an der Tafel stand.
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0:05:02 – 0:05:06
Das war mitten in der Mathestunde, und ich habe die Aufgaben für die schwachen Schüler gemacht,
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0:05:06 – 0:05:10
dann habe ich auch zu lauter Langeweile die Aufgaben für die starken Schüler gemacht,
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0:05:10 – 0:05:15
und habe dann noch den schwachen Schülern noch geholfen.
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0:05:15 – 0:05:18
Ja, und von dort an war irgendwie alles anders,
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0:05:18 – 0:05:22
da musste ich, bis auf Deutsch oder Englisch,
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0:05:22 – 0:05:28
nicht wirklich Hausaufgaben machen, weil das ist mir alles so zugeflogen.
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0:05:28 – 0:05:33
Ich weiß nicht, kennt ihr den Film "Phenomen"?
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0:05:33 – 0:05:39
Da gibt es so eine Szene, da schaut der Hauptdarsteller so zum Himmel
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0:05:39 – 0:05:42
und sieht auf einmal Licht zu sich kommen, das trifft ihn,
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0:05:42 – 0:05:47
und danach hat er halt besondere Fähigkeiten,
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0:05:47 – 0:05:50
und so ein Erlebnis hatte ich damals in der sechsten Klasse auch gehabt.
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0:05:50 – 0:05:54
Es war kein Licht, aber es machte auf einmal "Peng" in meinem Kopf.
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0:05:54 – 0:06:01
Ja, das ging dann so.
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0:06:01 – 0:06:05
Ich bin dann durch die Jahre so durchgeschlendert,
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0:06:05 – 0:06:09
und irgendwann musste ich dann selbst in Deutsch und Englisch keine Hausaufgaben mehr machen,
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0:06:09 – 0:06:13
das war alles so einfach.
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0:06:13 – 0:06:22
Und ja, Abitur, das ist mir so zugeflogen, das war schon fast geschenkt,
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0:06:22 – 0:06:31
und ich habe dann eine Ausbildung gemacht als Elektroinstallateur, damit ich was habe.
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0:06:31 – 0:06:36
Danach habe ich studiert,
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0:06:36 – 0:06:45
dann habe ich festgestellt, dass ich halt mit Menschen arbeiten möchte
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0:06:45 – 0:06:50
und habe Altenpflege nochmal danach geschoben.
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0:06:50 – 0:06:54
Jetzt muss man sich vorstellen, wie kommt das,
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0:06:54 – 0:06:58
dass ich dann halt mit meinen Talenten und Fähigkeiten gelernt habe,
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0:06:58 – 0:07:00
hinterm Berg zu halten.
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0:07:01 – 0:07:11
Ich bin irgendwann mal, das musst du in der neunten Klasse,
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0:07:11 – 0:07:16
da haben wir mit anderen Klassen zusammen, also immer eine Jahrgangsstufe,
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0:07:16 – 0:07:20
Klassenfahrten gemacht oder Praktikas.
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0:07:20 – 0:07:24
Also in der Waldorfschule macht man auch mit der gesamten Klasse
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0:07:24 – 0:07:28
so eine Art Betriebspraktikum oder Landwirtschaftspraktikum
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0:07:28 – 0:07:30
oder Landvermehrungspraktikum.
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0:07:30 – 0:07:35
Und wir sind halt immer mit einer von den Parallelklassen gefahren.
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0:07:35 – 0:07:40
Und da tauchte das irgendwann mal das erste Mal auf, als man mich so reden hörte,
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0:07:40 – 0:07:44
ich meine, man kannte sich zwar ein bisschen, aber nicht wirklich gut,
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0:07:44 – 0:07:52
dass ich halt einen Spitzname Jesus oder Professor bekommen habe
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0:07:52 – 0:07:57
und dass man sich darauf lustig gemacht hatte,
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0:07:57 – 0:08:04
darüber, wie ich schreibe, weil da sind noch viele Rechtschreibfehler drinnen,
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0:08:04 – 0:08:07
und wie ich rede.
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0:08:07 – 0:08:11
Dann kam, ich glaube, es war in der zehnten Klasse,
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0:08:11 – 0:08:14
dass wir auch bestimmte Unterrichtsstunden zusammen hatten.
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0:08:14 – 0:08:17
An den normalen Schulen, würde man sagen, also Wahlpflichtfächer.
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0:08:17 – 0:08:22
Und wir hatten nicht die Möglichkeit zu wählen,
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0:08:22 – 0:08:27
weil wir haben halt ein paar Wochen lang die eine Sache gemacht,
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0:08:27 – 0:08:31
dann ein paar Wochen die andere Sache, also Metallverarbeitung,
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0:08:31 – 0:08:43
praktische Physik, Elektronik, Schreinern, Textil und Textilgestaltung,
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0:08:43 – 0:08:47
Schneidern und noch viele andere Sachen.
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0:08:48 – 0:08:53
Und da ist den Leuten aufgefallen, dass das einfach alles nicht zusammenpasst.
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0:08:53 – 0:09:03
Und ich habe gemerkt, dass wenn ich nicht so viel von mir preisgebe
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0:09:03 – 0:09:09
und halt ein paar Gänge runterschalte, so von Gang 1 auf Gang 12,
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0:09:09 – 0:09:16
dann habe ich weniger Probleme, weil einfach weniger Hässlichkeiten
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0:09:16 – 0:09:19
oder auch, ich würde schon sagen, fast Mobbing da war.
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0:09:19 – 0:09:27
Weil ich für Nichtstun einfach immer viel bekommen habe.
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0:09:27 – 0:09:32
Ich war der faulste Schüler, ich habe nie Hausaufgaben gemacht
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0:09:32 – 0:09:43
und habe, wenn man das in Noten ausdrückt, 1+ geschrieben bekommen.
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0:09:44 – 0:09:48
Und wenn eine Frage gestellt wurde und keiner in der Klasse Bescheid wusste,
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0:09:48 – 0:09:53
dann hat man mich gefragt, weil die Lehrkörper, die Lehrer wussten.
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0:09:53 – 0:09:57
Er weiß es.
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0:09:57 – 0:10:03
Ja, das hat sich natürlich halt in der Berufsschule auch gezeigt gehabt.
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0:10:03 – 0:10:07
Da hatte man auch relativ schnell den Spitznamen Professor gehabt,
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0:10:08 – 0:10:17
weil ich habe davor mehrere Jahre praktische Physik gehabt
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0:10:17 – 0:10:22
und da haben wir halt Elektronikschaltungen auseinandergebaut, zusammengebaut.
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0:10:22 – 0:10:29
Wir haben einen Computer Winterunterrichts gebaut aus analogen Komponenten,
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0:10:29 – 0:10:33
erst einmal in Röhren, dann einmal aus Transistoren.
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0:10:33 – 0:10:37
Den haben wir selber zusammengelötet.
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0:10:37 – 0:10:45
Und da habe ich drei Monate dran gearbeitet an dem Projekt und viele andere Sachen.
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0:10:45 – 0:10:52
Das ist mir auch alles so leicht gefallen und das hat auf ziemlich viel Missgunst
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0:10:52 – 0:10:56
meiner Mitschüler geführt und da war ich dann ja auch schon erwachsen.
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0:10:56 – 0:11:02
Und während des Studiums war das nicht anders gewesen.
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0:11:03 – 0:11:07
Also die Kommilitonen haben einfach gemerkt gehabt,
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0:11:07 – 0:11:14
dass ich die meiste Zeit mich langweile und Zeit für Blödsinn habe
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0:11:14 – 0:11:17
und nichts wirklich machen muss.
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0:11:17 – 0:11:24
Ja, selbst wie ich die Altenpflege gemacht habe
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0:11:24 – 0:11:31
und dann das ganze medizinische Fachwissen und die ganzen Fachbegriffe,
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0:11:32 – 0:11:38
lateinische oder altgriechische, sind mir auch so alle in den Schoß gefallen,
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0:11:38 – 0:11:44
weil einmal gelesen, zweites Mal gelesen und dann konnte ich es auswendig.
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0:11:44 – 0:11:50
Meine Vorbereitung für Klausuren bestand eigentlich immer nur so,
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0:11:50 – 0:11:53
dass ich mir einen Abend vor die Sachen durchgelesen habe,
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0:11:53 – 0:11:57
mit denen ich mich vorher nie beschäftigt habe und dann konnte ich es.
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0:11:58 – 0:12:02
Ich würde jetzt nicht sagen, dass es ein fotografisches Gedächtnis ist,
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0:12:02 – 0:12:07
aber es ist ein Gedächtnis, das Inhalte wiedergibt.
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0:12:07 – 0:12:13
Nicht wortwörtlich, aber bildmäßig, sondern inhaltlich.
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0:12:13 – 0:12:19
Und ich habe das immer so als Betrügen empfunden.
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0:12:19 – 0:12:24
Meine Mutter hat zum Beispiel keinen einzigen Abschluss von mir gesehen.
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0:12:25 – 0:12:30
Also bis ich 18 war, war klar gewesen, dass ich die Zeugnis unterschrieben werden musste.
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0:12:30 – 0:12:37
Und danach konnte ich das selber machen und seitdem hat das keiner mehr gesehen.
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0:12:37 – 0:12:44
Und auch wenn meine besonderen Leistungen erwähnt wurden
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0:12:44 – 0:12:47
oder ich ausgezeichnet wurde, war mir das eher unangenehm,
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0:12:47 – 0:12:54
weil ich immer das Gefühl hatte, ich betrüge, weil ich dafür nie was getan habe.
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0:12:54 – 0:13:05
Und ich glaube auch, dass der Neid oder auch der Zweifel der anderen dazu gefügt hat,
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0:13:05 – 0:13:08
dass ich extremst unsicher bin, was das ist.
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0:13:08 – 0:13:11
Also die Erfahrung daraus, als ich Legastheniker bin,
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0:13:11 – 0:13:19
dass ich sowieso schon anders über Probleme nachdenke und Problemlösungen finde,
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0:13:19 – 0:13:22
auf die andere überhaupt nicht komme.
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0:13:23 – 0:13:28
Und dadurch werde ich ja immer wieder darauf reduziert, dass ich halt
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0:13:28 – 0:13:34
– du kannst ja nicht richtig lesen und nicht richtig schreiben, aber redest wie ein Professor –
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0:13:34 – 0:13:38
immer ständig darauf reduziert auf Sachen, die du falsch machst und Fehlermaß.
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0:13:38 – 0:13:47
Und ich sehe es, wie viele Menschen so durchs Leben gehen und fundamentale Fehler machen
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0:13:47 – 0:13:51
und denen ist das scheißegal.
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0:13:52 – 0:13:56
Für mich ist das immer ein halber Zusammenbruch, wenn da mal was nicht funktioniert.
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0:13:56 – 0:14:03
Auf jeden Fall denke ich, dass es dazu geführt hat, dass ich einfach
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0:14:03 – 0:14:13
mein Licht ganz weit unter den Scheffel stelle und dann halt nicht so damit hausieren gehe.
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0:14:13 – 0:14:17
Ich mache einen Podcast mit anderen Kollegen über Musik
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0:14:18 – 0:14:21
und da war in der letzten Zeit ein paar Mal die Andeutung,
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0:14:21 – 0:14:25
dass ich mich bei bestimmten Themen rausgehalten habe und nichts mehr gesagt habe,
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0:14:25 – 0:14:30
obwohl ich in den Bereichen abgeschlossenes Studium habe.
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0:14:30 – 0:14:33
Also ich habe ja nicht nur das eine Studium gemacht,
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0:14:33 – 0:14:41
ich habe nach dem Schlaganfall viel Zeit gehabt und musste eine Sinnkrise durchleben
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0:14:41 – 0:14:44
und habe dann aus lauter Langeweile noch ein bisschen mehr studiert
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0:14:45 – 0:14:53
und habe seitdem drei weitere Fächer abgeschlossen.
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0:14:53 – 0:15:03
Und auf jeden Fall, obwohl ich dann in dem und dem Bereich halt einen Abschluss habe,
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0:15:03 – 0:15:06
habe ich dazu nichts gesagt und da habe ich auch gesagt,
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0:15:06 – 0:15:14
dass ich vorsichtig bin mit dem, was ich sage und wie ich es sage und wann ich was sage,
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0:15:14 – 0:15:18
weil ich nicht post-human exmatrikuliert werden möchte.
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0:15:18 – 0:15:24
Das war natürlich der Gag gewesen, aber in Grundgelegenheit genommen ist das halt immer noch so die Angst,
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0:15:24 – 0:15:33
wenn ich mein wahres Potenzial präsentiere und zeige, dass ich dann halt Probleme bekomme.
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0:15:33 – 0:15:39
Ich beschäftige mich in meiner Freizeit stellenweise mit Themen,
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0:15:40 – 0:15:44
womit ich wirklich nur über ganz wenige Menschen sprechen kann.
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0:15:44 – 0:15:49
Ich habe mit 16 ein Tunnelrastermikroskop gebaut.
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0:15:49 – 0:15:58
Das machen andere halt erst, wenn sie Mitte 20 sind, weil sie das für das Studium brauchen oder daran forschen.
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0:15:58 – 0:16:02
Mit dem Tunnelrastermikroskop kann man Atome sichtbar machen,
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0:16:03 – 0:16:10
weil man halt einen physikalischen Effekt ausnutzt, dass wenn man mit einer Spitze aus Wolframen,
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0:16:10 – 0:16:16
wo die Spitze nur einen Durchmesser von einem Atom hat, ganz nah an das Testobjekt herangeht,
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0:16:16 – 0:16:21
wird ein Tunnelstrom fließen und wenn man jetzt in der Lage ist,
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0:16:21 – 0:16:26
ganz fein gerastert über das Teststück drüber zu gehen,
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0:16:26 – 0:16:32
kann man den Tunnelstrom, die Stärke messen und daraus ein Bild generieren.
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0:16:32 – 0:16:38
Das habe ich damals gebaut mit Verstärkerstufen und so weiter,
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0:16:38 – 0:16:42
ohne dass es da irgendwelche Einrauschen gab.
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0:16:42 – 0:16:45
War eine Jahresarbeit.
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0:16:45 – 0:16:50
War ein Jahr lang Arbeit und Forschung.
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0:16:50 – 0:16:55
Das habe ich damals neben der Schule gemacht.
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0:16:56 – 0:17:03
War natürlich ein voller Erfolg gewesen und weit über dem, was man sonst so gewohnt ist,
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0:17:03 – 0:17:10
wenn Schüler da eine Jahresarbeit abgeliefert haben.
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0:17:10 – 0:17:16
Es sind so viele Sachen. Ich musste mal eine computergesteuerte Ampelanlage bauen.
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0:17:16 – 0:17:21
Das habe ich natürlich auch gemacht und handwerklich war das jetzt nicht so perfekt,
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0:17:22 – 0:17:28
aber es war eine Software und dann meinte damals der Schulleiter und auch der Lehrer,
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0:17:28 – 0:17:33
dass es weit über dem ist, was sie halt verstehen.
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0:17:33 – 0:17:40
Für mich waren das einfach so Sachen. Ich habe das an einem Wochenende gemacht.
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0:17:40 – 0:17:45
Ich habe an einem Wochenende das Modell für die Ampelanlage gebaut
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0:17:45 – 0:17:50
und die Software geschrieben und die Elektronik gemacht.
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0:17:51 – 0:17:55
Und so ist das einfach total oft in meinem Leben gewesen.
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0:17:55 – 0:18:01
Ich habe alles auf den letzten Drücker gemacht und habe mich mit vielen anderen Sachen beschäftigt.
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0:18:01 – 0:18:09
Und ja, es würde man meinen, dass ich besonders erfolgreich bin.
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0:18:09 – 0:18:12
Ganz im Gegenteil.
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0:18:12 – 0:18:18
Seit meinem Schlaganfall und dem langen Zeitraum meiner Ausbildungen
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0:18:19 – 0:18:23
hatte ich eine Erwerbsminderungsrente, die auf dem Niveau des Bürgergeldes ist.
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0:18:23 – 0:18:27
Und ich bin froh, dass das Bürgergeld erhöht wurde,
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0:18:27 – 0:18:34
denn jetzt bezahle ich keinen Rundfunkbeitrag mehr, weil ich quasi in dem Bereich drinne bin.
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0:18:34 – 0:18:47
Man kann sehen, dass man mit den Möglichkeiten, die uns auf den Weg gegeben werden,
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0:18:48 – 0:18:58
nicht unbedingt immer sehr erfolgreich sind, dass das nicht erfolgsversprechend ist und man scheitern kann.
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0:18:58 – 0:19:04
Ich sehe mich jetzt nicht als gescheitert an, weil ich jetzt doch, obwohl ich kein Geld habe
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0:19:04 – 0:19:14
und ein Low-Level-Niveau leben führe und angewiesen bin auf Unterstützung,
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0:19:15 – 0:19:21
in vielerlei Sicht auch finanziell, dass ich so viel Zeit habe,
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0:19:21 – 0:19:25
dass ich mich jetzt den Sachen widmen kann, die mich interessieren.
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0:19:25 – 0:19:30
Und nach dem Schlaganfall hatte ich so viel Freizeit gehabt,
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0:19:30 – 0:19:33
dass ich dann halt noch Sachen, die mich interessiert haben
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0:19:33 – 0:19:44
und nicht weil ich da beruflich irgendwie Ambitionen habe, studieren konnte und Abschlüsse machen konnte.
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0:19:44 – 0:19:50
Sogar in einer Zeit, weil ich auch finanzielle Unabhängigkeit habe dadurch,
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0:19:50 – 0:19:53
wovon andere Leute nur träumen können.
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0:19:53 – 0:20:03
Man kann sehen, auch wenn ich jetzt nicht der super erfolgreiche Mensch bin,
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0:20:03 – 0:20:10
dass ich halt meinen Frieden gefunden habe, obwohl ich halt immer noch vorsichtig bin,
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0:20:11 – 0:20:14
dass ich halt mein Potenzial zeige oder nicht.
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0:20:14 – 0:20:20
Es ist sogar so, dass sich das regelrecht schon fast automatisiert hat bei mir,
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0:20:20 – 0:20:25
dass ich Grammatikfehler mache in der Aussprache,
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dass ich falsche Formen verwende oder auch Fehler mache bei Singular Plural,
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also Einzahl und Mehrzahl und solche Sachen.
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Das hat sich einfach so eingeschlichen als Automatismus, um nicht aufzufallen.
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Heutzutage, wenn du jemand bist, der intelligent ist und auch überdurchschnittlich intelligent,
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dann hast du die Möglichkeit, vernünftig gefördert zu werden.
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Zu meiner Zeit war das gewesen, ich stand kurz davor, auf eine Sonderschule geschickt zu werden für Lernbehinderte,
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weil ich mich so dermaßen in der Schule gelangweilt habe,
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dass ich mich mit allen möglichen anderen Sachen beschäftigt habe,
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als denen zu folgen, wie man halt bis 10 zählt.
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Unglaublich! Und dass erst so viel später das wahre Potenzial bei mir entdeckt wurde.
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Ich kann mich noch mal daran erinnern, wo ich in einer der Schulen war,
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im Berufskolleg, genauer gesagt, um eine Zeichenskopie beglaubigen zu lassen,
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dass die Lehrer, die ich getroffen habe, sich gefreut haben, mich zu sehen,
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weil es mal ein positives Beispiel ist dafür.
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Wenn die gewusst hätten, wie faul ich damals war und ich stellenweise Hausaufgaben an der Tafel gemacht habe,
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weil ich die Sachen gar nicht wirklich zu Hause ausgearbeitet habe,
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sondern wenn es um Mathematik ging, dann konnte ich das so an der Tafel schreiben.
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Das war jetzt hier so ein sehr persönliches Gespräch mit euch,
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wo ich hauptsache monologisiert habe und mal ein bisschen was erzählt habe.
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Ich hoffe, dass ihr es mir nicht böse nehmt, dass ich jetzt nicht mehr weiß, wie abgeschweift bin,
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wie ich es sonst gerne tue, sondern dieses Mal da geblieben bin,
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ziemlich beim Thema, weil es muss sich was ändern in unserer Bildungspolitik.
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Kinder sind nicht alle gleich und ich verstehe nicht, warum ein Kind in dem und dem Alter
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oder auch wenn es jünger ist, mit dem und dem Anzahl an Monaten, an Lebenszeit,
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das und das können muss, weil der Durchschnitt es kann.
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Sondern ich habe gesehen bei meinen Neffen, da ist jeder anders gewesen
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und der eine hat sich mehr sprachlich entwickelt und das viel schneller als der andere.
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Der andere hat sich motorisch entwickelt und konnte dann, obwohl der andere gelabert hat wie im Wasserfall,
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konnte er sich dann aufs Fahrrad, so ein Tretrad, setzen und ist damit über die Schotterpiste geheizt,
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als ob er noch nie was anderes gemacht hätte.
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Der andere konnte es nicht und so individuell die Kinder sind, so sollte auch Bildung gesehen werden,
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weil Bildung ist nicht nur das stumpfe Auswendiglernen von Zahlen und Fakten,
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sondern auch das Verstehen, was dahinter steckt, warum manche Prozesse so sind, wie sie sind.
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Natürlich, wenn ich Geschichte mache, muss man Zahlen und Fakten kennen,
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aber es gibt ja auch Gründe, warum etwas zu etwas geführt hat.
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Die französische Revolution ist ja nicht einfach so entstanden, aus sich heraus,
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sondern es gab eine Geschichte davor und
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so muss man das auch sehen bei Kindern oder auch bei Jungerwachsenen.
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Ich war mal in einer Einrichtung während eines Studiums, wo es halt um Wiedereingliederung ging
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und da hatte man festgestellt, dass ich anders rede, wie ich schreibe
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und da war man im Kollegium sehr verwirrt.
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Ich musste mich dann quasi erklären, dass ich Legastheniker bin
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und Erwachsene können damit besser umgehen wie andere Kinder,
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vor allem im Alter des Erwachsenen, in den jugendlichen Jahren,
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wo man versucht, sich selbst zu finden und sich mit anderen vergleicht
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und alles, was anders ist als die Normalität, merkwürdig, fällt man damit extremst auf
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und die Verletzung und die Zeit hat mich stark geprägt.
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Ich hatte vor einiger Zeit mal eine Dokumentation gesehen,
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über eine Schule für Hochbegabte, was ein Internat ist,
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wo Jugendliche, anstatt das, was Jugendliche sonst so tun,
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Zeit totschlagen und irgendwelche ablenkenden Sachen zu machen,
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sich wirklich mit komplexen Themen auseinandergesetzt haben und daran Spaß hatten.
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Die einen haben Japanisch gelernt, die anderen haben Schachs geübt,
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aber dann nicht normal, sondern schon x-Züge im Voraus.
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Es wurde wissenschaftlich gearbeitet und das war das erste Mal, wo ich mir gedacht habe,
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das hättest du damals haben müssen.
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Du hättest halt nicht dieses Außenseitergefühl haben müssen.
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Klar sind Leute zu mir gekommen, wenn sie ein Problem hatten in der Schule oder während des Studiums,
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aber aufgrund meiner Begabung, meines Fluches, fühlte ich mich nie irgendwie richtig dazugehörig.
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Gut, bei meiner zweiten Runde, wo ich studiert habe, nach dem Schlaganfall,
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war vieles nicht mehr möglich.
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Ich bin ja hauptsächlich mit einem Rollstuhl durch die Gegend geeiert
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und habe viel zu Hause studiert und hatte wenig Kontakt mit meinen Kommilitonen,
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außer zu den Pflichtveranstaltungen, wo man anwesend sein muss.
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Da war das jetzt nicht so das Thema gewesen.
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Aber beim ersten Studium, da habe ich es schon gemerkt gehabt,
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da war ja Party und machen und so weiter dran und ich habe lieber im Labor gesessen
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und habe da meine Forschung gemacht und das hat auch dazu geführt,
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dass ich halt wesentlich schneller fertig war wie meine Kommilitonen,
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die noch ein paar Semester mehr brauchten.
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Ja, das war jetzt wirklich ein Monolog und ich bin doch zum Ende hin ein bisschen abgespaltet.
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Ich bedanke mich dafür, dass ihr zugehört habt und würde mich freuen,
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wenn ihr auch beim nächsten Mal dabei wieder einschaltet,
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wenn es heißt "Die Abschweifung" oder irgendein anderes Format hier auf dem Lautfunk,
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dem Publikationskartell.
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Ja, da sage ich mal Dankeschön und sage Tschüss, euer Sascha.
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[Musik]
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