Zwei mit Borderline – Wie Liebe trotz Narben gelingt

„Ein Erfahrungsbericht über intensive Gefühle, tiefe Verletzlichkeit – und die Kraft der Verbindung.“

Was passiert, wenn zwei Menschen mit intensiven Gefühlen, alten Wunden und tiefem Verlangen nach Nähe aufeinandertreffen? Ein ehrlicher Erfahrungsbericht über Beziehung mit Borderline – ohne Romantisierung, aber voller Hoffnung.


1. Einleitung: Zwischen Nähe und Angst

Wir sind Sascha und Sarah – ein Paar mit einer Gemeinsamkeit, die viele als unvereinbar mit einer funktionierenden Beziehung betrachten würden: Wir haben beide die Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung.

Was für Außenstehende nach einem permanenten Krisenzustand klingt, ist für uns ein intensiver, manchmal chaotischer, aber auch zutiefst ehrlicher Tanz. Ein ständiges Pendeln zwischen Nähe und Distanz, zwischen Angst und Vertrauen.

Wir schreiben diesen Text nicht, um zu romantisieren. Auch nicht, um Mitleid zu erregen. Sondern, um einen Einblick zu geben. Für andere Betroffene, Angehörige, Freunde – oder einfach Menschen, die verstehen wollen, wie eine Beziehung mit Borderline gelingen kann. Nicht trotz, sondern mit all ihren Herausforderungen und Stärken.

💜 Sarah sagt:

„Früher dachte ich, Nähe heißt, mich aufzugeben.
Heute weiß ich: Die Nähe zu Sascha fühlt sich echt an, wenn ich dabei ich selbst bleiben darf – auch mit all meinen Zweifeln.“


2. Was Borderline für uns bedeutet – und was nicht

Was es ist:
Borderline ist kein Etikett. Es ist ein Erleben – oft ungefiltert, extrem, paradox. Für uns bedeutet es:

  • Gefühle in HD: Wo andere „leicht traurig“ sind, empfinden wir Verzweiflung. Wo andere sich freuen, fühlen wir Euphorie. Unsere emotionale Skala hat keine sanften Übergänge – sie springt.
  • Nähe als Sehnsucht und Bedrohung zugleich: Wir hungern nach Verbindung, und fürchten gleichzeitig, uns in ihr zu verlieren.
  • Rückzug als Selbstschutz: Wenn einer geht, ist es oft kein Abwenden – sondern ein Versuch, sich nicht selbst zu überfordern.
  • Spiegelnde Wahrnehmung: Wir spüren einander so feinfühlig, dass wir manchmal Emotionen übernehmen, bevor sie ausgesprochen sind.

🧠 Sascha sagt:

„Was ich gelernt habe, wenn Sarah weint …
… ist, dass es nicht meine Aufgabe ist, sie sofort zu reparieren.
Sondern bei ihr zu bleiben. Auch in der Stille. Auch wenn ich selbst Angst habe, zu versagen.“

Was es nicht ist:

  • Borderline macht uns nicht unberechenbar – wir ringen um Stabilität.
  • Wir sind nicht „manipulativ“ – wir haben oft nur keine Sprache für unsere Angst.
  • Wir sind nicht „beziehungsunfähig“ – wir lieben, vielleicht sogar intensiver als andere. Aber eben auch verletzlicher.

💜 Sarah sagt:

„Ich hab oft Angst, zu viel zu sein.
Doch Sascha erinnert mich immer wieder daran, dass ich nicht falsch bin – sondern tief. Und dass Tiefe nichts Schlechtes ist.“


3. Unsere Dynamik – Wenn zwei sich spiegeln

Zwei Menschen mit Borderline in einer Beziehung? Das klingt nach Zündstoff. Und ja: Wenn beide tief fühlen, sich in alten Mustern erkennen, sich gegenseitig triggern – dann braucht es viel Reflexion.

Beispiele aus unserem Alltag:

Rückzug trifft innere Panik

Sarah braucht nach einem anstrengenden Tag Ruhe. Sascha spürt die Distanz – und interpretiert sie als Ablehnung. Sein inneres Kind schreit: „Ich bin nicht wichtig.“
Lösung: Wir üben, Dinge nicht sofort auf uns zu beziehen. Stattdessen fragen wir: „Was brauchst du gerade?“

🧠 Sascha sagt:

„Manchmal triggert mich ihr Rückzug mehr als jede Diskussion.
Aber ich habe gelernt, nicht gegen die Tür zu klopfen – sondern ihr einen Schlüssel hinzulegen, wenn sie bereit ist, zurückzukommen.“

Alte Stimmen in neuen Gesprächen

Sascha sagt in einem Moment der Überforderung: „Bitte nicht jetzt.“ Sarah hört nicht seine Stimme – sondern die des Vaters, der früher alles abgewiegelt hat.
Lösung: Wir benennen die Vergangenheit. „Ich weiß, das hat dich an früher erinnert – aber ich bin nicht dein Vater.“

Kuscheln mit Unsicherheit

Ein schöner Moment im Bett – und plötzlich der Impuls, wegzulaufen. Die Angst, sich aufzulösen im Anderen.
Lösung: Wir schaffen Sprache dafür. Und Räume, ohne Vorwürfe.

Was hilft uns konkret?

  • Safe Words wie: „Ich brauch kurz Raum, aber ich komm wieder“
  • Fragen statt Angriffe: „Was hast du gerade gemeint?“ statt „Warum verletzt du mich?“
  • Humor als Katalysator: Wenn’s brenzlig wird, hilft manchmal ein schiefer Kalauer mehr als ein stundenlanges Gespräch.

4. Was uns trägt – trotz (oder wegen) Borderline

Unsere Beziehung ist nicht einfach. Aber sie ist tief. Und voller Geschenke, die viele Paare in stabileren Bahnen vielleicht nie entdecken.

  • Nonverbales Verständnis: Ein Blick sagt mehr als Worte. Wir sehen Tränen, bevor sie fließen. Spüren Wut, bevor sie sich zeigt.
  • Nächte des Verstehens: Wir reden. Über unsere Vergangenheit, unsere inneren Dämonen, unsere Träume. Das nährt uns mehr als jeder Kinobesuch.
  • Kreativer Ausdruck: Gefühle, die zu groß für Sprache sind, werden zu Songs, Zeichnungen, Texten.
  • Heilung durch Spiegelung: Was mich an dir stört, ist oft mein eigener Schatten. Gemeinsam hinschauen heißt: gemeinsam wachsen.

💜 Sarah sagt:

„Ich dachte lange, niemand könnte mich wirklich sehen – ohne sich abzuwenden.
Und dann kam Sascha. Und blieb.“


5. Was schwer ist – und wie wir damit umgehen

Typische Stolpersteine:

  • Verlustangst vs. Autonomiewunsch: Einer braucht Nähe, der andere Freiheit. Das ist kein Widerspruch – aber eine Aufgabe.
  • Trigger in Alltagsgesten: Eine Umarmung kann trösten – oder retraumatisieren. Ein Blick kann beruhigen – oder misstrauisch machen.
  • Scham und Selbsthass: Gedanken wie „Ich bin zu kompliziert“ oder „Ich verdiene das nicht“ nagen an uns – oft täglich.

🧠 Sascha sagt:

„Nicht jede Krise ist ein Ende.
Manchmal ist sie nur der Anfang eines neuen Verstehens. Wir haben gelernt, nicht aufzugeben, wenn’s wackelt – sondern gemeinsam zu schauen, wo es rutscht.“

Unsere Strategien:

  • Einzeltherapie: Nicht „für den anderen“, sondern für sich selbst. Weil Selbsterkenntnis die Basis für Beziehung ist.
  • Eigene Räume akzeptieren: Nicht jedes Schweigen ist Ablehnung. Nicht jeder Rückzug ist Trennung.
  • Offenheit vor Eskalation: Lieber sagen: „Ich merke, es wird mir zu viel“, als zu explodieren.
  • Fehltritte verzeihen: Wir verletzen einander – nicht aus Bosheit, sondern aus Wunden. Vergebung ist kein Verzicht auf Grenzen – sondern ein Zeichen von Stärke.

6. Was wir anderen mitgeben möchten

Beziehung mit Borderline ist keine simple Formel. Aber möglich – und oft intensiver, ehrlicher und transformierender als klassische Beziehungsmodelle.

Wenn du…

  • bereit bist, deine eigenen Schatten anzusehen,
  • akzeptieren kannst, dass Nähe und Angst oft Hand in Hand gehen,
  • Verantwortung für deine Trigger übernimmst – ohne den anderen zu Schuldigen zu machen,
  • und Humor behältst, auch wenn’s mal brennt …

… dann kann aus Chaos Verbindung entstehen.
Ein Band, das nicht glatt ist – aber echt. Nicht perfekt – aber tief. Nicht einfach – aber schön.

💜 Sarah sagt:

„Unsere Liebe ist nicht leicht.
Aber sie ist ehrlich. Und ich glaube, das ist mehr wert als jedes Happy End aus dem Bilderbuch.“


7. Abschluss: Ein anderer Rhythmus

Unsere Liebe tanzt nicht im Takt der Gesellschaft. Sie folgt keiner Norm, keinem Beziehungsratgeber, keinem festen Ablauf.

Aber sie lebt.
Sie atmet.
Sie wächst.

Sie ist intensiv, fordernd, heilsam – und manchmal still.
Und vor allem: Sie ist echt.

🧠 Sascha sagt:

„Liebe mit Borderline ist wie ein Tanz auf dünnem Eis.
Aber wenn wir unsere Schritte aufeinander abstimmen, wird es nicht gefährlich – sondern wunderschön.“

Liebe mit Borderline ist keine gestörte Liebe. Sie ist eine besondere Form von Nähe.
Und wer den Mut hat, sich auf sie einzulassen, erlebt vielleicht das, wovon andere nur träumen:
Eine Verbindung, die nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Narben tief und schön ist.


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📘 Glossar: Wichtige Begriffe einfach erklärt

Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS)
Eine seelische Erkrankung, bei der Betroffene besonders intensiv und instabil fühlen, denken und handeln – vor allem in zwischenmenschlichen Beziehungen. Typisch sind starke Stimmungsschwankungen, Angst vor dem Verlassenwerden, Probleme mit dem Selbstbild und impulsives Verhalten.

Trigger
Ein Auslöser, der eine starke emotionale Reaktion hervorruft – oft unbewusst. Zum Beispiel kann ein bestimmter Satz oder eine Geste alte Erinnerungen oder Ängste wachrufen, meist aus traumatischen Erfahrungen.

Flashback
Eine plötzlich auftretende Erinnerung an eine frühere (meist belastende) Situation. Es fühlt sich so an, als würde man das Erlebte noch einmal durchleben – mit denselben Gefühlen wie damals.

Selbstschutz / Rückzug
Viele Menschen mit Borderline ziehen sich in belastenden Momenten zurück, um sich innerlich zu stabilisieren. Das bedeutet nicht automatisch Ablehnung, sondern kann ein wichtiger Mechanismus zur Selbstregulation sein.

Verlustangst
Die übersteigerte Angst, verlassen oder emotional im Stich gelassen zu werden – auch bei kleinen oder harmlosen Situationen. Diese Angst ist bei vielen Betroffenen tief verankert.

Bindungsangst
Die Angst, sich in einer Beziehung selbst zu verlieren oder vereinnahmt zu werden. Sie führt oft zu innerem Rückzug, auch wenn man sich eigentlich nach Nähe sehnt.

Safe Word
Ein vorher vereinbarter Satz oder Begriff, der in schwierigen Situationen Sicherheit und Orientierung gibt. Zum Beispiel: „Ich komm gleich wieder“ oder „Ich brauch kurz Luft“. So entstehen keine Missverständnisse im Rückzug.

Check-in
Ein bewusster Moment des Nachfragens oder Abstimmens in der Beziehung: „Wie fühlst du dich gerade?“, „Was brauchst du jetzt?“. Ziel ist es, Missverständnisse zu vermeiden und Verbindung zu halten.

Psychoedukation
Das Vermitteln von Wissen über psychische Erkrankungen, um das eigene Verhalten besser zu verstehen und damit umgehen zu lernen. Ein wichtiger Teil von Therapie und Selbsthilfe.

Co-Regulation
Wenn zwei Menschen sich gegenseitig helfen, ihre Emotionen zu stabilisieren. Zum Beispiel durch beruhigende Worte, Körperkontakt oder einfaches Dasein. Besonders wichtig in intensiven Beziehungen.

Spiegelung
Das Wiedererkennen eigener Gefühle, Muster oder Wunden im Gegenüber. Kann heilsam sein – oder herausfordernd, weil es alte Themen aufwühlt.

Triggerkonflikt
Wenn zwei Menschen sich gleichzeitig gegenseitig in ihren wunden Punkten treffen – z. B. Verlustangst trifft auf Rückzug. Solche Situationen sind für Borderline-Paare besonders emotional.

Emotionsregulation
Die Fähigkeit, mit starken Gefühlen so umzugehen, dass man sie weder unterdrückt noch von ihnen überwältigt wird. Ziel vieler Therapieformen bei Borderline.

Radikale Ehrlichkeit
Ein Konzept, bei dem man möglichst klar und ohne Masken sagt, was man fühlt und denkt – selbst wenn es unbequem ist. Es kann Nähe fördern, erfordert aber viel Mut und Vertrauen.


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Autor: Sascha Markmann

Legastheniker am Werk (Mehrfaches lesen meiner Postings kann zu irreparable Schäden an den Augen führen z. B.. Pseudotumor-zerebral-Syndrom) Leicht gestörter bis Mittel schwerer Fall von Überlebens Künstler, Maler, Blogger, Musiker, Podcaster und Video Produzenten "Audiovisueller STUMPFSINN mit keinem Nutzwert"

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